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Fliesen als Ausdruck handwerklicher Arbeit

Interview mit Christian Wamberg Rasmussen, Architekturbüro 3XN

Am Beispiel des Tinnerbäcksbadet im schwedischen Linköping beschreibt Christian Wamberg Rasmussen die besonderen Qualitäten, die das Entwerfen und die Detaillierung mit Fliesen im Schwimmbadbau bieten. Agrob Buchtal hat keramische Fliesen für fast alle Anwendungen geliefert und war von Anfang an am Projekt beteiligt.

RP:
Sie waren bei 3XN maßgeblich für den Entwurf des Tinnerbäcksbadet verantwortlich. Worin liegen bei einer solchen Bauaufgabe die größten Herausforderungen?

Christian Wamberg Rasmussen:
Schwimmbäder gehören mit zu den komplexesten Gebäudetypologien, mit denen man als Architekturbüro in Berührung kommen kann. Sie sind nicht nur technisch anspruchsvoll. Es gibt auch sehr viele verschiedene Nutzungsbereiche, die klar voneinander abgegrenzt werden müssen: Sport-, Schul-, Kinder- und Therapiebecken sowie Fitness-, Gymnastik- und Wellnessbereiche, aber auch Büros und Restaurants mit Küche und Kühlräumen.

Das Tinnerbäcksbadet wurde von 3XN nach Abschluss der Planungsphase an ein lokales Büro übergeben. Wie haben Sie sichergestellt, dass die Umsetzung des Projekts im Detail tatsächlich wie geplant verlief?
Wir entwickelten das Projekt in enger Zusammenarbeit mit dem Bauherrn bis ins kleinste Detail und übergaben es dann an ein lokales Büro, das im Auftrag eines Unternehmens für schlüsselfertiges Bauen arbeitete. Anders als es etwa in Deutschland üblich ist, handelte es sich hier nicht um ein klassisches Partnerbüro, mit dem wir in der Regel in engem Kontakt stehen. Stattdessen hatte das Büro die Aufgabe, unseren Entwurf in Eigenregie umzusetzen. Daher war es für uns sehr wichtig, präzise Detailzeichnungen anzufertigen und diese zu einem verbindlichen Bestandteil des Vertrags zwischen dem Bauherrn und diesem Unternehmen zu machen. Zusätzlich zu zahlreichen Leitdetails erstellten wir für sämtliche gefliesten Boden- und Wandflächen des Gebäudes präzise Übersichtspläne, die neben den Formaten und Farben der gewählten Fliesentypen auch alle relevanten Angaben zur Oberflächenbeschaffenheit und Rutschhemmung enthielten. In diesem Zusammenhang war es für uns unerlässlich, mit einem Fliesenhersteller zu kooperieren, der in der Lage ist, uns in dieser frühen Entwurfsphase in der Detailplanung aller Nutzungsbereiche fundiert zu unterstützen. Nach Fertigstellung des Schwimmbads konnten wir eindrucksvoll erleben, dass wirklich alles genauso geworden ist, wie ursprünglich geplant.

Welche Entwurfsaspekte standen beim Tinnerbäcksbadet im Mittelpunkt?
Nicht zuletzt wegen der Lage direkt an einem Badesee mit parkartigem Umfeld wollten wir vor allem authentisch-natürliche Materialien einsetzen – insbesondere Holz und Keramikfliesen, kombiniert mit Sichtbeton. Diese sollten als Variationen einer harmonischen Familie aus zurückhaltenden Erdfarben eine ruhige, geborgene Atmosphäre und zugleich fließende Übergänge zu den üppig grünen Freiräumen schaffen.

Wirft die Größe dieses Schwimmbads und die Vielfalt seiner Wasserbecken besondere Detailfragen auf, die nur mit Keramikfliesen gelöst werden konnten?
Für uns ist es schwierig, sich ein Schwimmbad ohne die Verwendung keramischer Produkte vorzustellen. Sie erfüllen alle technischen, funktionalen und gestalterischen Anforderungen und sind daher wesentlicher Bestandteil unserer Entwürfe. Alternativen könnten Naturstein und Beton sein, die aus wirtschaftlichen und funktionalen Gründen aber nur selten ihren Weg in öffentliche Schwimmbäder finden.

Weshalb kamen im Tinnerbäcksbadet keine Edelstahlbecken zum Einsatz?
Wir hatten diese Option diskutiert, bevorzugten letztlich aber geflieste Becken mit Stahlbetonunterbau. Edelstahlbecken kommen für uns aus konstruktiven Gründen nicht infrage. Das hat auch damit zu tun, dass Fliesen von den Menschen als vertrautes und angenehmes Material wahrgenommen werden. Außerdem ermöglichen sie durch ihre taktilen Oberflächen und die Variationsmöglichkeiten in Bezug auf Größe und Farben viele Freiheiten und unterstützen das Entwerfen von charakterstarken Räumen. Abgesehen davon wären die sanft wogenden runden Formen im Kinderbereich, die wir mit kleinen Mosaikfliesen realisierten, damit nicht ohne Weiteres machbar gewesen.

Was macht das Entwerfen mit Keramikfliesen für Sie so interessant?
Wie bereits angedeutet, sind Keramikfliesen in vielen unterschiedlichen Formen, Formaten, Farben und Oberflächen erhältlich. Daher erlauben sie eine unglaubliche Variationsbreite, mit der es uns leicht fällt, homogene Badelandschaften und feine Farbübergänge zu modellieren. Als dem Handwerk verpflichtete Architekten haben wir bei diesem Material außerdem die volle Kontrolle darüber, wie und mit welchen Geometrien wir Innenräume gestalten. In Bezug auf die Gestaltung der Oberflächen gibt es keine räumlich oder handwerklich komplizierten Details, sondern nur Fliesen und Fugen – das ist alles, das ist die ganze Story. Für uns ist das Entwerfen mit Fliesen durchaus mit Puzzeln oder dem Falten von Origami vergleichbar. Hinzu kommt: Am Ende lässt sich für die Nutzer immer nachvollziehen, wie die Oberflächen gemacht sind. Das alles ist mit Edelstahl nicht möglich.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft der Schwimmbäder – beispielsweise in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Fliesen sind absolut langlebige und nachhaltige Produkte – vor allem, wenn sie mit Blick auf ihren Lebenszyklus den Vorgaben von Umweltzertifizierungen entsprechen. Im Sinne der Nachhaltigkeit ebenso wichtig ist es, dass Fliesentypen, -farben und -oberflächen über lange Zeiträume hinweg unverändert erhältlich sind. So können beschädigte Fliesen leicht ausgetauscht und auch größere Flächen (etwa bei Umbauten) problemlos mit identischem Material ergänzt werden. Als sich der Bauherr des Tinnerbäcksbadet entschied, Fliesen von Agrob Buchtal einzusetzen, spielten Aspekte wie diese eine große Rolle. Schließlich soll dieses große und kostspielige Gebäude noch viele Jahre Bestand haben. Und sollten in der Zukunft neue Bedarfe entstehen, die Umbaumaßnahmen nach sich ziehen, ist schon heute klar, dass sich am homogenen Erscheinungsbild der Badelandschaft nichts ändern wird.

 

 

Christian-Wamberg-Rasmussen

Christian Wamberg Rasmussen arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei 3XN. Der erfahrene Projektmanager verantwortet die Planung, Wirtschaftlichkeit, Qualitätssicherung und Nachbereitung von großen und hochkomplexen Projekten wie dem 25.000 m² großen Verwaltungsgebäude Segerstedthuset an der Universität Uppsala, das 2017 fertiggestellt wurde, und der 24.000 m² großen Erweiterung und Sanierung der Universität Mälardalen mit Laboren, Studiensälen und Bibliothek. Zuletzt leitete er den Neubau des Tinnerböcksbadet in Linköping, Schweden, ein 24.000 m² großes, gemischt genutztes Projekt, das ein Wassersportzentrum, Einzelhandel und Büros umfasst. Rasmussen steht als Projektleiter für einen konstruktiven, offenen und fortschrittlichen Kooperationsprozess mit dem Beraterteam.

Foto: 3XN © Zuhal Kocan