Projekte
Schweiz

Kreisverkehr Novartis Campus

STANDORT
Basel, Schweiz
ARCHITEKT
Peter Regli
JAHR
2013
PRODUKTE
Chroma

Kunst am Kreis

reisverkehre bieten zahlreiche Vorteile: Sie erhöhen den Verkehrsfluss, vermindern die Komplexität von Verkehrsknoten und sind mit weit geringerem Unfallrisiko durchfahrbar als andere ungeregelte Kreuzungen. Zugleich brauchen sie aber auch relativ viel Platz und lassen in der Mitte eine von der Umgebung abgeschnittene Fläche entstehen. Seitdem viele Städte erkannt haben, dass sich diese Mittelinseln nutzen lassen, um auf lokaltypische Besonderheiten hinzuweisen, befinden sich dort immer häufiger üppig wuchernde Blumenrabatten, zerklüftete Stahlskulpturen oder andere kunsthandwerkliche Geschmacklosigkeiten. Mit all dem hatte die Novartis Pharma AG nichts im Sinn, als sie Peter Regli beauftragte, die Mitte eines neuen Kreisverkehrs unmittelbar vor ihrem Werk St. Johann in Basel neu zu gestalten. Der Schweizer Künstler ist für seine als „Reality Hacking“ bezeichneten anonymen Interventionen im öffentlichen Raum bekannt geworden, bei denen er wie ein Computerhacker temporär in die vertrauten Systeme des Alltags, der Stadt oder der Landschaft einbricht. Beispielsweise schickte er einen überdimensionalen Marmorschneemann von Vietnam aus auf Weltreise, bemalte US-amerikanische Kühe mit weißen Buchstaben, um zu sehen, welche Sätze sie bilden, und plante die verstärkte Übertragung des Tickens einer Bahnhofsuhr in die Bahnhofshalle. Für gewisse Irritationen sorgt nun auch die vormals karg bepflanzte Kreisverkehrsinsel in Basel, die – gewissermaßen als Kunst am Kreis – im Werkverzeichnis des Künstlers als No 287 auftaucht.

Wer sich diesem Kreisverkehr mit dem Auto über eine der vier Zubringerstraßen nähert, sieht von alldem zunächst einmal: nichts. Zwischen den grauen Industrie- und Gewerbehallen der Umgebung erscheint eine leicht erhöhte, von einem schmalen Betonrand eingefasste Plattform, auf der zu diesem Zeitpunkt nicht näher definierbare Farbflecken zu erkennen sind. Befindet man sich dann im Kreisel und hat außerdem noch Zeit für Ehrenrunden, dann sieht die Sache anders aus. Was Autofahrer noch erahnen müssen, wird für Lastwagenfahrer, vor allem aber für Nutzer im unmittelbar am Kreisel stehenden Hochhaus zur Gewissheit: Auf der Plattform mit rund 12,5 Metern Durchmesser liegt kein verwirrendes Farbmuster, sondern ein wohlgeordnetes Mandala, sorgfältig angelegt aus dreieckigen Keramikfliesen in insgesamt elf blauen, roten und weißen Farbtönen.

Für Markus Bucher, der als Projektleiter schon viele Reality-Hacking-Projekte gemeinsam mit Peter Regli umsetzte, liegt die Kraft dieses Kunstwerks einerseits gerade in der je nach Perspektive unterschiedlichen Wahrnehmung. Andererseits ist er sich sicher, dass jede dreidimensionale Skulptur vor den weit aufragenden Hochhäusern vergleichsweise mickrig ausgesehen hätte. Das Mandala hingegen wirkt als ebenso selbstbewusste wie identitätsstiftende Landmarke am nordwestlichen Rand des Novartis Campus – einem Firmengelände, das seit vielen Jahren neu strukturiert und um Neubauten von Stararchitekten aus aller Welt ergänzt wird. Zwar ist Peter Regli durch einige in Asien realisierte Projekte, u.a. aktuell in Bhutan, mit der fernöstlichen Kultur bestens vertraut. Das für Basel gewählte MandalaMotiv bezieht sich dennoch nicht unmittelbar auf historische Vorbilder. Vielmehr steht es ganz allgemein versinnbildlichend für althergebrachte Rituale und eine mythischreligiöse Ausgewogenheit – was irgendwie subversiv wirkt, wenn man bedenkt, dass sich Pharmakonzerne wie Novartis eher den Prinzipien einer evidenzbasierten westlichen Medizin verpflichtet fühlen.

Im Rahmen der Materialrecherche für die leicht konvexe Oberfläche der Mandala-Plattform untersuchten Regli und Bucher zahlreiche Alternativen. Im Gespräch waren beispielsweise auf einer Unterkonstruktion montierte Metallpaneele, die sich auf der horizontalen, Sommers wie Winters frei der Witterung ausgesetzten Fläche allerdings zu sehr ausgedehnt bzw. zusammengezogen hätten und überdies im Lauf der Zeit ausgebleicht wären. Bei der Verwendung von Glas störten die starken Spiegelungen, die die Brillanz der stets auf der Rückseite aufgebrachten Farben abschwächten. Demgegenüber boten die Keramikfliesen von Agrob Buchtal drei wesentliche Vorteile. Erstens befindet sich die farbgebende seidenmatte Glasur auf der Oberseite – Oberfläche und Farbe bilden daher eine gleichsam unzertrennliche Einheit. Zweitens beruhen die elf eigens entwickelten Farbtöne nicht nur exakt auf den Vorstellungen Reglis, sie sind zudem auch über lange Zeiträume absolut farbecht. Und drittens lassen sich die Fliesen flächig und ohne Unterkonstruktion verlegen, sodass am Ende der Eindruck eines monolithischen Körpers entsteht, und nicht der einer innerhalb des rahmenden Betonrings einfach nur umgeklappten Gebäudefassade.

Die 900 Keramikfliesen weisen lediglich drei unterschiedliche Dreiecksformen auf – gerade groß genug, um kein allzu kleinteiliges Mosaik entstehen zu lassen, aber auch gerade klein genug, um die leicht konvexe Oberfläche der Plattform mit gleich bleibender Fugenbreite und ohne Überzähne zu bedecken. Weil sich die Platten unterschiedlicher Farben unterschiedlich stark ausdehnen, waren elastische Fugen aus Polyurethan-Dichtmasse notwendig, die letztlich in Schwarz und etwas breiter ausgeführt wurden als nötig, um die optische Wirkung der „Striche“ zwischen den Farbflächen zu stärken. Eine weitere Herausforderung ergab sich aus den spitzen Winkeln der Fliesen, die sich nicht ohne weiteres vor Ort, sondern nur herstellerseitig mit präzisem Wasserstrahlschnitt zuschneiden ließen. Sämtliche Verlegearbeiten erfolgten innerhalb von drei Monaten im Schutz eines großen geschlossenen Zelts, ohne dabei den Autoverkehr zu stören. Umso größer war die Erleichterung der zahlreichen Passanten, als im August 2013 nicht etwa eine überdimensionale Tablettenskulptur oder die stählerne Interpretation des Novartis-Logos enthüllt wurde, sondern ein Mandala, das in einer heterogenen Umgebung wie dieser für ein kleines Stück Vollkommenheit sorgt.

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Fotograf: Reality Hacking 287_2013 ©p.regli 2013

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