Vorfertigung war, ist und bleibt im Bauwesen stets ein wichtiges Thema wegen der damit verbundenen Vorteile: Bauteile können unabhängig von Witterungseinflüssen unter idealen Bedingungen hergestellt und dann effizient montiert oder zusammengebaut werden, um so Zeit und Geld zu sparen. Auf diese Weise können zum Beispiel Fertighäuser mittlerweile innerhalb eines Tages errichtet werden. Auch beim sicherheitsrelevanten Anwendungsbereich Fassade spielen vorgefertigte Elemente eine wichtige Rolle. Neben dem erwähnten Ziel, Zeit und Geld zu sparen, gibt es in dicht besiedelten Städten ein weiteres Argument: Häufig fehlt schlicht der Platz, um „Halb-Produkte“ auf der Baustelle sicher und logistisch passend zu lagern. Ein exemplarisches Beispiel, bei dem diese Aspekte zum Tragen kamen, entstand 2018 in der Metropole London durch das kompetente Zusammenspiel der renommierten deutschen Firmen Lindner Fassaden GmbH (Arnstorf) und Agrob Buchtal GmbH (Schwarzenfeld).
Porträt des institutionellen Bauherrn
Das „Imperial College of Science, Technology and Medicine“ (kurz: Imperial College) ist eine Technische Hochschule und Universität in London. Sie wurde 1907 gegründet und zählt zu den international führenden Institutionen dieser Art. 2013 erwarb diese Einrichtung ein rund 46.500 Quadratmeter großes Areal im Londoner Stadtteil White City, um dort Gebäude für Forschung, Lehre, Unternehmen und Wohnungen zu errichten. Die Gesamtfläche des Campus verdoppelte sich dadurch auf rund 93.000 Quadratmeter. Allein diese imposanten Zahlen verdeutlichen Dimension und Bedeutung des Imperial College. Seitdem hat sich auf dem neuen Gelände mit dem Oberbegriff White City Campus (auch Technology Campus genannt) einiges getan: 2016 eröffnete das „Translation & Innovation Hub“ (Hub = engl. Zentrum, Drehkreuz), 2017 nahmen die „Invention Rooms“ (Erfindungs-Räumlichkeiten) den Betrieb auf, ebenfalls 2017 erfolgte der erste Spatenstich für das „Michael Uren Biomedical Engineering Research Hub“ und 2018 ging das „Molecular Sciences Research Hub“ (MSRH) an den Start. Parallel dazu entstand das so genannte Gebäude F (engl. „Block F“). Es wurde 2018 fertiggestellt und beherbergt rund 200 Apartments für das Schlüsselpersonal der Hochschule.
Gebäude F: Fassadenelemente auf höchstem Niveau
Diese Formulierung ist durchaus im doppelten Sinne zu verstehen: Zum einen bezogen auf den hohen technischen Anspruch, zum anderen darauf, dass der Wohnturm stolze 140 Meter in die Höhe ragt. Er ist mit seinen 35 Stockwerken und seiner markanten skulpturalen Architektur im Stadtbild von West-London leicht auszumachen. Die Gebäudehülle besteht aus insgesamt ca. 2.400 vorgefertigten Fassadenelementen bekleidet mit Glas, Keramik oder einer Kombination aus beiden Materialien. Realisiert wurden die Elemente durch ein gelungenes Zusammenspiel der Kompetenzen der beiden renommierten Spezialisten Lindner Fassaden GmbH, D-Arnstorf (in Kooperation mit dem lokalen Partner Lindner Facades Ltd., GB-London) und Agrob Buchtal Architekturkeramik (in Kooperation mit dem lokalen Partner EH Smith, GB-Solihull und GB-Brasted).
Details zu den vorgefertigen Elementen (Part Lindner Fassaden GmbH)
Die Warmfassade besteht zum Großteil aus 1,5 Meter breiten und 3,25 Meter hohen Elementen, wobei das Lindner-System CW85 eine gewisse Standardisierung und somit eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit erlaubte. Gleichzeitig erforderte die prägnante Silhouette des Bauwerks aber auch individuelle Sonderlösungen. Eine Besonderheit ist beispielsweise die abgestufte Ostseite: Jedes zweite Stockwerk bildet eine Stufe, um so Terrassen für die Bewohner zu bieten. Außerdem wurden an anderer Stelle per Stahlbau seitlich anliegende Balkone geschaffen. Dafür wurden thermisch getrennte 2,25 Meter breite „Wing-Elemente“ eingesetzt, die nicht nur den Kaltbereich verkleiden, sondern auch als Wind- und Sichtschutz dienen. Auf der Südwest-Seite findet sich mit einem von außen sichtbaren Aufzugschacht ein weiteres typisches Merkmal. Hier sorgen Ganzglaselemente mit 3,05 Meter Breite und 3,25 Meter Höhe für optimale Transparenz.
Die Produktion sämtlicher Elemente fand statt im niederbayerischen Arnstorf, dem Sitz der Lindner Fassaden GmbH. Vorher erfolgte eine eingehende Prüfung der Elemente und des Systemverbunds bezüglich der geforderten Eigenschaften wie zum Beispiel Dichtigkeit gegen Luft und Wasser oder Schallschutz. Die standardisierten Versionen wurden dann im Rahmen einer ausgeklügelten Linienfertigung hergestellt, Spezialversionen wie Wing- oder Eck-Elemente durch eine so genannte Inselfertigung. Bei der Optimierung des Materialflusses kamen die ausgeprägten Erfahrungen des Unternehmens mit lean production („schlanke Fertigung“) und Kanban (spezielle Methode zur Prozess-Steuerung) zum Tragen.
Details zur keramischen Bekleidung (Part Agrob Buchtal GmbH)
Die Architekten PLP Architecture, London, wünschten für die keramisch bekleideten Elemente einen lachsfarbenen Terrakotta-Ton in drei differenzierten Nuancen und zwei Oberflächenarten (eben und gerillt). Agrob Buchtal erfüllte diese explizite Vorgabe mit speziell gefertigten Fassadenfliesen in drei Längen bis zu knapp 150 cm und jeweils einer Höhe von 29,7 cm (optimal passend für das Elementraster) sowie weiteren Sonderformaten - ein erneuter Beleg dafür, dass maßgeschneiderte projektspezifische Lösungen zu den ausgewiesenen Stärken dieser Architekturkeramik-Marke zählen. Dies zeigen auch weitere Aspekte: Den Vorschriften entsprechend sind die Fliesen mit einem rückseitig verklebten Netz versehen, das als Absturzsicherung bei mutwilligen mechanischen Beschädigungen dient. Für die Befestigung der Fassadenkeramik auf den im Hause Lindner gefertigten Elementen wurde eine besondere Variante des „Omega“-Profils des modernen Befestigungssystems KeraTwin K20 entwickelt und eingesetzt. Ein relevantes Thema mit Blick auf die Statik eines Gebäudes ist das Gewicht von Fassadenbekleidungen. Hier kann Agrob Buchtal mit rund 32 kg pro Quadratmeter punkten, weil dieser Wert für eine keramische Variante vergleichsweise niedrig ist, ohne dass die Stabilität darunter leidet: Die Dicke der Fliesen ist exakt entsprechend austariert, dazu kommen hochwertige Rohstoffe sowie spezielles Know-how beim Formen, Trocknen und Brennen.
Ausgefeilte Logistik
Vorfertigung endet nicht mit dem Verlassen des Werkstores, sondern ist ein ganzheitlicher Prozess wie sich auch bei diesem Projekt zeigte. Bereits im Werk Arnstorf der Lindner Fassaden GmbH wurden die fertiggestellten Bauteile nach einem bestimmten System auf Stahlpaletten verpackt, wobei eine LKW-Ladung aus 18 Regel-Elementen bestand. Dies ergibt bei insgesamt rund 2.400 Elementen weit über 100 LKWs, die sorgfältig getaktet den Materialfluss sicherstellen mussten, da es vor Ort im dichtbesiedelten London keine Möglichkeit zur großmaßstäblichen Lagerung gab. Die Lindner Facades Ltd. koordinierte daher die ausgefeilte Baustellen-Logistik: Die Paletten wurden nach Ankunft per Gabelstapler vom Lastwagen gehoben und in einen so genannten Pufferbereich gebracht. Dort erfolgte eine Prüfung und Reinigung der Elemente, die dann in der ausgewiesenen Sicherheitszone des Gebäudes platziert wurden. Von dort aus wurden die vorgefertigten Bauteile per Kran in eine vertikale Position gebracht, an ihre entsprechende Position auf einem der 35 Stockwerke gehievt und von qualifizierten Monteuren der Firma RF Fixing Ltd. befestigt.
Das Fazit
Das Gebäude F auf dem neuen White City Campus des Imperial College ist ein exemplarisches Beispiel für die Vorzüge, die vorgefertigte Fassadenelemente bieten. Das geschmeidige Zusammenspiel aller Beteiligten ermöglichte ein im wahrsten Sinn des Wortes herausragendes und weithin sichtbares Ergebnis mit architektonischer Strahlkraft.
www.lindner-group.com / www.ehsmithfacades.co.uk
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