Die ECO Platform mit Sitz in Brüssel fungiert als Dachorganisation für EPD-Programme. Ziel ist, die Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) zu vereinheitlichen und entsprechende Prozesse zu harmonisieren. Die Non-Profit-Itinitiative ist offen für alle, die sich mit Bauen, Umwelt und Ökobilanzierung von Produkten und Gebäuden befassen. Die Plattform informiert, berät, hilft bei technischen Umsetzungen und stellt ein Datenportal zur Verfügung. Im Interview erzählt Christian Donath, Geschäftsführer der ECO Platform, über die Perspektive der EPDs auf europäischer Ebene. Er erklärt, wie wichtig einheitliche Systeme und Standards sind und welche Risiken und Chancen sich für Hersteller ergeben. Wichtigste Erkenntnis: Ohne Digitalisierung und Datenerfassung geht nichts.
Die EU bereitet Gesetzesinitiativen für nachhaltigere Wirtschaftsprozesse vor. Was kommt auf die Baubranche und die Hersteller zu?
Wir erleben die gleichzeitige Überarbeitung von Gesetzen verschiedener Art mit dem Ziel, die klimaschutzpolitischen Ziele einzuhalten. Für den Gebäudebereich sind hier die EU-Taxonomie, die EU-Gebäuderichtlinie und sicher auch die Bauproduktenverordnung (CPR) hervorzuheben. Über die neue CPR sollen die Produktinformationen verbindlich geregelt werden, die dringend erforderlich sind, um die Umweltauswirkungen auf Gebäudeebene messbar zu machen. Neben Themen wie Kreislaufwirtschaft und Treibhausgas- Potenzial geht es in den Gesetzesvorschlägen auch um die Digitalisierung von Daten.
Welche Rolle kommt der ECO Platform zu, wie unterstützt sie den Prozess?
Die ECO Platform hat zur Umsetzung der neuen Bauproduktenverordnung Vorschläge eingebracht. Als Übergangsphase von der alten zur neuen Verordnung gibt es den CPR Acquis. Hier beraten wir die EU-Kommission, wie das Ganze möglichst störungsfrei implementiert werden kann. Oder welche Anpassungen noch erforderlich sind, wie bestimmte technische Probleme gelöst werden können, was sich automatisieren lässt etc.
Wie weit ist die EU mit der Gesetzgebung zur Bauproduktenverordnung (CPR) und ab wann sind EPDs verpflichtend?
Die EU-Kommission hat den Gesetzesvorschlag am 30. März 2022 veröffentlicht und in den European Council eingebracht. Danach geht der Vorschlag ins EU-Parlament und muss nach Verabschiedung innerhalb von 18 Monaten in ein nationales Gesetz umgearbeitet werden. Es gibt dann ggf. noch eine Frist, bis die Anforderungen aus der Bauproduktenverordnung verbindlich umzusetzen sind. Spätestens dann sind die Hersteller verpflichtet, ihre Umwelt- Produktdeklaration zu erstellen. Für den schnellen Übergang zur neuen Bauproduktenverordnung wird es allerdings auf Basis der geltenden Verordnung bereits deutlich früher Verpflichtungen geben, die über sogenannte „delegated acts“ eingeführt werden. Eben diesen Übergang zu gestalten ist Aufgabe des CPR Acquis, an dem wir mit der ECO Platform wesentlich mitarbeiten.
Was genau regelt die Bauproduktenverordnung?
Die CPR regelt die Angaben zu Produkten und welche Anforderungen sie erfüllen müssen, damit sie auf dem europäischen Markt angeboten werden dürfen. Das betrifft verschiedene Indikatoren wie statische oder bauphysikalische Eigenschaften, Inhaltsstoffe etc. In Zukunft werden nun auch verpflichtend Indikatoren für die Umweltwirkungen von Bauprodukten, basierend auf der EU-Norm EN 15804 (EPDs), eingeführt. Damit wird europaweit einheitlich geregelt, welche Produktdaten in der Leistungserklärung (DoP) zu kommunizieren sind.
Welche Rolle spielt die Erfassung von Daten dabei und wie gelingt sie?
Wir müssen die Komplexität aus den Prozessen nehmen. Projektbeteiligte wie Architekten und Planer sollen schließlich nicht zum Ökobilanzexperten oder „Alchemisten“ werden. Dafür werden derzeit verständliche Tools entwickelt, die komplexe Ökobilanzen im Hintergrund ablaufen lassen, während der Planer verständlich über die Umweltwirkungen seines Handelns informiert wird. Und diese Tools benötigen verlässliche Daten, die frei verfügbar sind. Das funktioniert nur über einheitliche Methodik, Datenformate und Qualitätsanforderungen. Darauf müssen sich Hersteller in der Bereitstellung von Produktdaten einstellen.
Durch neue Anforderungen müssen die Daten viel granularer und zudem in vielen unterschiedlichen Formaten angeboten werden. Dies kann nur „on demand“ in Echtzeit erfolgen. Das erfordert eine neue Datenstruktur beim Hersteller sowie eine automatisierte Datenerzeugung über Konfiguratoren. Dies ist mit dynamischer Datenbereitstellung gemeint. Das hört sich komplex an, ist aber eine Erleichterung für alle Beteiligten. Und es ist die einzige Art, um bezahlbar und flexibel auf die sich immer schneller wandelnden Anforderungen zu reagieren.
Bislang läuft die Datenerfassung so: Der Hersteller erstellt eine Liste der Inhaltsstoffe oder ein Merkblatt mit Produkteigenschaften. Der Planer kann sich das in BIM laden. Warum reicht das nicht mehr aus?
Weil Produkte sich in vielen Eigenschaften unterscheiden, die bisher nicht abgefragt wurden. Ob ein Produkt beispielsweise in Werk A oder Werk B hergestellt wurde, wo die Vorprodukte herstammen oder welche Beschichtung ein Produkt hat, kann große Unterschiede für die Ökobilanz machen, aber auch für die Visualisierung. Das ist mit Granularität gemeint: Aus einem Produkt mit vielen Varianten werden viele unterschiedliche Produkte. Ein entscheidender Unterschied. Und der Hersteller kann nun theoretisch wählen, ob er beispielsweise die Umweltindikatoren für den „Worst Case“ angibt, also den ungünstigsten Fall, oder ob er die Produkte granularer definiert.
Wie schafft man denn die Voraussetzung dafür, dass alle Projektbeteiligten die Daten generieren und nutzen können?
Das kann keiner allein leisten. Niemand wird kommen und sagen: Das ist jetzt das ultimative Tool, das alle nutzen können. Es wird immer diverse Formate und Tools geben, aber die eigentlichen Produktdaten sind stets gleich. Wichtig ist, dass die Hersteller rechtzeitig auf Anforderungen und neue Benchmarks reagieren können. Das gelingt mit einer logischen Datenstruktur. Hier müssen die Unternehmen lernen, wie sie Daten modular ablegen, sodass zum Beispiel der Architekt sich seine Produkte entsprechend zusammenstellen kann. Das ist für die Hersteller keine große Investition und lässt sich auch zügig umsetzen. Und sie behalten die Kontrolle über ihre Daten und können sie jederzeit ergänzen.
Hört sich einfach an, Daten zu generieren und abzurufen. Wie funktioniert das in der Praxis?
Dazu braucht es eine einfache und modulare Datenstruktur beim Hersteller, die eine automatisierte Datenerzeugung zulässt. Wir reden hier nicht über aufwendige Langzeitprojekte, die Millionen Euro verschlingen, sondern über eine effektive Datenstruktur, die wir Downstream-orientiert nennen. Diese wird in die bestehende IT-Architektur des Herstellers eingebunden.
Über sogenannte Generatoren können Daten in allen relevanten Zielformaten erzeugt werden, also zum Beispiel für die Nutzung in Autodesk Revit, ArchiCAD, AR, Produktplattformen, Ausschreibungstextprogrammen, Leistungserklärungen usw. Der Anwender, also beispielsweise ein Architekt, entscheidet über das erforderliche Datenformat, Inhalte und Detaillierungsgrad selbst. Alles mit ein paar Mausklicks. Das erspart Aufwand und Wartezeiten auf allen Seiten und ist weniger fehleranfällig.
Wie läuft der Prozess der EPD-Erstellung ab?
Entweder hat der Hersteller die Kompetenz im Haus oder er lässt sich extern beraten von einem Ökobilanzexperten. Die helfen ihm dabei, Daten richtig zu erheben und Datenströme zu modellieren: Welche Ressourcen – Material, Wasser, Energie – fließen in das Produkt?
Was entsteht an Abgasen, Abwasser und Müll, wie sind die Lieferwege etc.?
Das erfasst die Ökobilanz und daraus wird zur Datenweitergabe eine Umwelt-Produktdeklaration (EPD) erzeugt. Für EPDs ist die Verifizierung durch unabhängige Dritte vorgeschrieben. Die Verifizierung der EPD erfolgt durch ein EPD-Programm.
Mit welchen Kosten müssen Hersteller für eine EPD rechnen?
Derzeit können das für manuell erstellte und verifizierte EPDs durchaus zwischen 10.000 und 30.000 Euro sein. Der Löwenanteil geht in die Datenerhebung und an den externen Ökobilanzexperten. Zumindest dann, wenn die EPD auf die alte (manuelle) Weise erzeugt wird. Ein geringerer Teil muss für die Verifizierung aufgewendet werden. Durch die Nutzung von EPD-Tools lässt sich der Aufwand drastisch reduzieren. Mit vorverifizierten Grunddaten und Tools können EPDs in wenigen Minuten generiert werden.
Wie eilig ist das Thema EPD und wird es ein Wettbewerbsvorteil für die Hersteller?
Hersteller sollten sich so schnell wie möglich mit EPDs befassen. Die gesetzliche Verpflichtung kommt. Die erforderliche Datenerhebung, Modellierung der Prozesse und Datenbereitstellung nimmt Zeit in Anspruch. Ich rate zu frühzeitigem Handeln, auch um nachher nicht in der Schlange zu stehen und unsinnig hohe Preise für Dienstleister zahlen zu müssen.
Wer sich heute um seine Daten kümmert, Lücken füllt und damit Transparenz herstellt, ist im Vorteil. Der Hebel lässt sich nicht mal eben so umstellen.
Übrigens: Bereits heute werden immer mehr freiwillige Anforderungen in Projekten zum K.-o.-Kriterium. Hier nenne ich mal die Gebäudezertifizierungssysteme, Kreditvergabe-Kriterien, Förderungen, Nachhaltigkeitsberichterstattung und ESG-Kriterien in der Lieferkette als Stichpunkte.
Interview: Ute Latzke
Christian Donath ist Geschäftsführer der ECO Platform sowie Managing Partner bei BIM Sources. ECO Platform
hat das Ziel, die Bereitstellung zuverlässiger Produktdaten für Bauprodukte zu erleichtern. Die Initiative für europaweit
anerkannte Standards findet in der Baubranche großen Zuspruch. Das Softwareunternehmen BIM Sources
bietet Produktherstellern smarte Lösungen für die automatisierte Datenerzeugung und deren digitale Kommunikation.
Die EPD-Erstellung wird die Umweltwirkungen sichtbar machen. Das verbesserte Verständnis für die Wirkungen wird eine wesentliche Grundlage sein für die Optimierung von Produkten, Produktion und Einkauf. Auf die Hersteller kommt somit einiges zu, deshalb sollten sie sich mit diesen Themen jetzt befassen.