Der renommierte Interiordesigner Maxime De Campenaere liebt an keramischen Fliesen ihre Authentizität. Hierbei setzt er das Material gerne auch auf unkonventionelle Weise ein, wie beispielsweise aktuell in seiner ersten eigenen Möbelserie. Im Interview erzählt der Belgier zudem, was Filme wie Clockwerk Orange von Stanley Kubrick mit seiner Arbeit zu tun haben und warum es gut war, dass er zunächst Koch, Gärtner oder Florist werden wollte.
Herr De Campenaere, warum sind Sie Interiordesigner geworden?
Schon als kleines Kind war ich sehr wissbegierig. Ich sah mir Häuser in der Nachbarschaft an und notierte den Baufortschritt. Mit ungefähr sechs Jahren zeichnete ich bereits meine ersten „Blaupausen“. Gleichzeitig half ich meinen Eltern in der Küche und im Garten. Insbesondere wenn Gäste kamen. Das Ambiente sollte stimmen und alle sollten sich wohlfühlen. Mit 12 Jahren überlegte ich, welchen Beruf ich später ergreifen sollte. Zur Auswahl standen Koch, Gärtner und Florist. Doch je mehr Zeit verging, desto klarer wurde es: Ich will Interiordesigner werden. Hier kann ich all meine Interessen bündeln.
Von was lassen Sie sich inspirieren?
Ich bin fasziniert von Filmen, in denen das Set eine wichtige Rolle spielt. Wie zum Beispiel bei Clockwerk Orange oder Shining von Stanley Kubrick, Io sono l’Amore von Lucas Guadagnino oder auch Playtime von Jacques Tatie. Darüber hinaus bin ich ein extensiver Sammler von Materialproben. Wir ertrinken im Studio quasi in Materialproben (lacht), aber sie sind für mich eine wichtige Inspirationsquelle. Genauso wie die zahlreichen Fotos, die ich auf meinen Reisen mache, wecken sie Assoziationen und animieren mich zu einem Spiel mit Farben. Besonders gut gelingt mir dies im Übrigen in Mailand, wo ich die schönen Palazzi-Eingänge mit ihrem Mix aus Materialien und Muster studiere.
Was zeichnet Ihre Arbeit aus?
Kompetenz, eine große Hingabe an jedes einzelne Projekt und ein Hauch von Humor. Wir arbeiten in vielen verschiedenen Bereichen mit den unterschiedlichsten Budgets, Zeitplänen und auch technischen Rahmenbedingungen. Und genau das wirkt sich positiv auf unsere Arbeit aus. Ich möchte mich nicht auf ein bestimmtes Kompetenzfeld festlegen. Das wäre mir zu langweilig und dann entsteht auch langweiliges Interiordesign.
Sie gestalten Räume in den Bereichen Gastgewerbe, Wohnen und Arbeiten. Verändern sich hier die Anforderungen?
Die drei Bereiche werden sich sicherlich immer hinsichtlich der technischen Vorschriften und Vorgaben unterscheiden, aber in letzter Zeit stellen wir doch fest, dass die Grenzen verschwimmen. So gestalten wir Büros zum Beispiel heute nicht mehr so streng und abgegrenzt wie früher. Der heimische Wohlfühlfaktor, den viele ja jetzt aus dem Home Office kennen, wird nun auch auf die Büros übertragen.
Unser letztes Büroprojekt ist der beste Beweis, wie Arbeitsstrukturen aufgebrochen werden. Mehr als 50 Prozent der Fläche ist allein für die Kommunikation der Mitarbeiter reserviert. Ideen werden hier zwanglos auf einem Sofa oder an einer Kücheninsel ausgetauscht.
Was war bisher Ihr herausforderndstes Projekt?
Jedes Projekt ist für sich eine Herausforderung, aber in Bezug auf Budget und Zeitplan war sicherlich das BeCentral besonders anspruchsvoll. Der derzeit größte digitale Campus in Europa ist im Brüsseler Hauptbahnhof ansässig und wir hatten zunächst den Auftrag eine Fläche von 60 Quadratmetern zu gestalten. Inzwischen sind es neun Designkonzepte für 6.500 Quadratmeter geworden. Wir hatten dafür lediglich zwei Jahre Zeit und nur knapp 400,- € pro Quadratmeter zur Verfügung – und zwar für alle Arbeiten inklusive Möbel.
Welche Aufgabe würde Sie besonders reizen?
Ich würde gerne mehr Projekte im Hotel- und Gastronomiebereich realisieren. Gerne auch im Ausland und in Kooperation mit den dortigen lokalen Handwerksbetrieben. Es ist immer spannend zu sehen, welche Materialien in dem jeweiligen Land verwendet werden und welche Handwerksfertigkeiten dafür vonnöten sind. Es ist also der berühmte Blick über den Tellerrand, der mich umtreibt.
Apropos Materialien: Was schätzen Sie an keramischen Fliesen?
Keramische Fliesen sind extrem vielseitig und in vielfältigen Ausgestaltungen erhältlich. Mit ihnen kann ich unterschiedliche ästhetische Lösungen erarbeiten und dennoch gleichzeitig alle Ansprüche an Funktionalität erfüllen. Einerseits stehen sie für Authentizität, andererseits bringen sie Dynamik in meine Entwürfe. Ich kreiere beispielsweise einen Vintage-Touch oder erzeuge ganz bewusst Kontraste, wie jüngst mit der Serie Craft in einem privaten Wohnprojekt.
Die Kollektion Craft von Agrob Buchtal ist ja eine sehr urwüchsige, archaische Fliesenserie.
Ja richtig. Ich hatte die Serie bei unserem örtlichen Fliesenhändler entdeckt und war sofort fasziniert von den hochglänzende Glasuren, der imposanten optischen Tiefe und dem lebendigen Farbspiel. Ich war mir sicher, dass mich die Serie zu einem ganz besonderen Gestaltungsentwurf inspirieren würde. Ich musste nur noch auf das passende Projekt warten. Das besagte private Wohnprojekt war dann die perfekte Gelegenheit.
Inwiefern?
Wir hatten die Aufgabe zwei Badezimmer zu gestalten und wollten auf jeden Fall eine warme und gemütliche Atmosphäre für die Eltern und eine frische, anregende Stimmung für die Kinder kreieren. Gleichzeitig benötigten wir aber auch eine Klammer, um die beiden Zimmer gestalterisch miteinander zu verbinden. Für dieses Vorhaben war Craft die perfekte Lösung.
Wir haben im Elternbadezimmer die Serie in der Farbe Goldgelb geflammt eingesetzt, in Kombination mit schwarzen Armaturen, Accessoires und einem schwarz-weißen Bodenbelag. Auf diese Weise gelang eine perfekte Balance zwischen zeitgenössischem Design und Vintage-Feeling. Für das Kinderbadezimmer sahen wir die Farbe Blaugrün geflammt vor - wegen ihrer frischen, lebendigen Anmutung. Den Rahmen der Duschtrennwand haben wir in Rot streichen lassen und damit bewusst einen Kontrast geschaffen. Der Spiegel in Form eines Auges ist eine Maßanfertigung und bringt augenzwinkernd eine spielerische Note in den Entwurf.
Im privaten Bereich werden Fliesen vorzugsweise im Badezimmer oder in der Küche eingesetzt. Welches Potenzial sehen Sie für Fliesen?
Keramische Fliesen sind für mich wie erwähnt ein sehr vielfältiges, ausdrucksstarkes und flexibel einsetzbares Material. Ich probiere immer gerne Neues aus. Aktuell arbeite ich zum Beispiel an meiner ersten Möbelserie und werde hier auch Fliesen einsetzen.