Ton ist ein überall in der Welt natürlich vorkommendes Material, das im Lauf der Jahrmillionen durch die Verwitterung von Gesteinsmaterial entstand. Ton lässt sich bei ausreichendem Wassergehalt leicht plastisch verformen und anschließend zu hochfester Keramik brennen. Auf Grundlage dieser Technik entstand bereits vor rund 25.000 Jahren die berühmte Keramik-Venus von Dolní Věstonice. Später folgten dann unter anderem unterschiedlichste Töpferwaren, künstlerische Arbeiten sowie unzählige römische Backsteinbauten mit Ziegeldächern und keramischen Bodenbelägen.
Einfache Materialzusammensetzung und Herstellungsprozesse
Die lange Kulturgeschichte der Keramik in unseren Breiten basiert nicht zuletzt darauf, dass der Hauptausgangsstoff Ton in nahezu unbegrenzter Menge vorhanden ist und sich zudem leicht abbauen und verarbeiten lässt. Und so ist es kein Zufall, dass die bis ins Jahr 1755 zurückreichenden Wurzeln des Unternehmens Agrob Buchtal beziehungsweise der Deutsche Steinzeug und ihrer Produktionsstandorte genau dort liegen, wo es bis heute natürliche Tonvorkommen gibt.
Zeitgenössische Keramikprodukte unterscheiden sich weder in der Materialzusammensetzung noch in Bezug auf die Herstellung grundlegend von jenen der früheren Generationen. Keramik ist nach wie vor ein Produkt aus wenigen natürlichen Zutaten, und auch der Brennprozess beruht selbst in Zeiten von Industrie 5.0 auf Prinzipien, deren Einfachheit uns immer wieder an das Brotbacken erinnert. Dieser Eindruck kommt nicht von ungefähr. Denn die Grundlagen der Tonverarbeitung stammen aus einer Zeit, in der die Herstellung hoch verarbeiteter, komplexer (und damit potenziell umweltschädlicher) Produkte schlicht unmöglich gewesen wäre. In unserer heutigen Zeit, in der Handwerk, Regionalität, Nachhaltigkeit und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen immer wichtiger werden, verzeichnen wir eine steigende Nachfrage nach Keramik. Diese Nachfrage entstand freilich nicht trotz, sondern gerade wegen dieser Einfachheit.
Langlebig und zukunftstauglich – im Bestand und in zukünftigen Gebäuden
Keramik ist extrem langlebig. Davon zeugen die vielen antiken Baudenkmäler ebenso wie die intensiv genutzten Bauten unserer Zeit, etwa Schwimmbäder. Entscheidend ist: Das Material verbraucht sich nicht. Die auf dem Prinzip der einfachen archaischen Prozesse basierende Langlebigkeit der Keramikelemente bietet für das nachhaltige Bauen große Vorteile. Beispielsweise tragen unsere Produkte maßgeblich zu einer reibungslosen, zweckmäßigen Nutzung der Gebäude bei, während sie zugleich aufwendige Instandhaltungsarbeiten überflüssig machen. Heutige technische Mittel ermöglichen es uns, mit vergleichsweise geringem Aufwand nahezu alle älteren oder sogar historischen Bauteile zu reproduzieren. Dieser Aspekt ist essenziell, wenn es um das Sanieren oder Weiterbauen von Bestandsgebäuden geht. In gewisser Weise könnte man davon sprechen, dass die Keramikherstellung „abwärts kompatibel“ ist – anders als dies etwa bei den hochkomplexen Bauteilen der Computerindustrie der Fall ist, deren Reproduktion bereits nach wenigen Jahren unmöglich ist. Im Umkehrschluss bedeutet das für Keramikelemente, dass morgen entwickelte Gebäudekonzepte auch übermorgen noch im Sinne einer gestalterischen Nachhaltigkeit adaptiert werden können.
Innovation und Nachhaltigkeit
Trotz Jahrtausende lang vergleichbarer Materialzusammensetzungen und Herstellungsprozesse gibt es im Zusammenhang mit keramischen Materialien durchaus Potenziale für Innovationen. Natürlich verfügen wir heute über größere, leistungsfähigere und effizientere Brennöfen. Sie ermöglichen flexiblere Produktionsverfahren, vielfältigere Oberflächenbearbeitungen oder das schnellere Erreichen der Marktreife von Prototypen. Zudem bedeuten sie oft erhebliche Energie-, Material- oder Zeiteinsparungen die insbesondere helfen, Reduktionen bei CO2-Emissionen und Abfallmengen zu erzielen sowie nachhaltigere Arbeitsprozesse zu etablieren. Zugleich unterliegen aber auch wir den Grenzen und Zwängen des Marktes. Als deutscher Keramikhersteller mit elf Millionen Quadratmetern Fliesenproduktion pro Jahr haben wir im Vergleich zu den Global Playern aus China oder Italien leider nur wenige Einflussmöglichkeiten auf Veränderungen in der Fertigungstechnologie. Daher können wir kaum Druck auf Hersteller ausüben – zum Beispiel, die Entwicklung neuartiger Brennöfen mit Wasserstoff als Energiequelle zu beschleunigen.
Innovationen gibt es aber im Produktbereich, wie etwa das digitale „Aufdrucken“ von Glasuren. Dies ermöglicht nicht nur präzise Oberflächen, kleinere Losgrößen und mehr Fliesenbilder, die zu einem angenehm unregelmäßigen Erscheinungsbild der Wand- und Bodenoberflächen führen. Sie vereinfachen vielmehr den ohnehin schon einfachen Fertigungsprozess und helfen uns, mit noch weniger Rohstoffen auszukommen. Eine wichtige Rolle in Bezug auf die Produktentwicklung spielen die immer wieder stattfindenden Zukunfts-Workshops mit Architekten, die uns wertvolle externe Inputs liefern, sowie die zahlreichen Kooperationen mit Produktdesignern – wie mit Sebastian Herkner und Markus Bischof.
Bei allem Engagement auf diesem Gebiet müssen wir aber stets im Auge behalten, dass wir unsere vier Werke auslasten müssen, in denen sich nicht einfach von heute auf morgen alle Prozesse und Produkte konsequent auf Nachhaltigkeitsaspekte ausrichten lassen. Hinzu kommt die Realität, dass in vielen Produktbereichen nach wie vor der Preis das zentrale Kriterium ist. Gleichzeitig hat sich Nachhaltigkeit in den letzten Jahren zunehmend als Kaufkriterium etabliert. Mit anderen Worten: Es entstand eine neue Marktanforderung, da die Käuferschicht, die für nachhaltige Produkte mehr Geld ausgeben kann und will, stetig wächst – im privaten Bereich ebenso wie bei gewerblichen und öffentlichen Investoren und Bauherren. Als Unternehmen in diesem Spannungsfeld müssen wir also das eine tun, ohne das andere zu lassen.
Material- und Verarbeitungsintelligenz
Mit neu entwickelten Rezepturen versuchen wir, eine Reduzierung des Materialeinsatzes zu erreichen. Waren StandardWandfliesen früher 8 bis 10,5 Millimeter stark, kommen unsere Steingutfliesen seit kurzem auch mit nur 6 Millimeter Stärke aus, ohne dabei an Festigkeit und Präzision zu verlieren. Das bedeutet neben einem verringerten Rohstoffverbrauch vor allem einen reduzierten Energiebedarf), weniger Verpackungsmaterial sowie geringere fossile Treibstoffverbräuche für weniger Rohstofftransporte und effizienter gepackte Lastwagen. Weitere Einsparpotenziale ergeben sich aus der Art der Verlegung. So ist es uns mit einem Trockenverlegesystem inzwischen möglich, Fliesen nicht mehr dauerhaft mit dem Boden verkleben zu müssen, sondern gleichsam „schwimmend“ zu verlegen. Dies gelingt, indem wir auf der Rückseite des Fliesenmaterials keine Kunststoffgitter aufbringen, sondern ein Korkgranulatgemisch aufpressen. Im Zuge der Produktentwicklung haben wir uns für dieses natürliche Material entschieden, weil es über ideale Eigenschaften zum präzisen und sicheren Verlegen der Fliesen verfügt, aber auch, weil es seinem Wesen nach am besten zur Keramik passt. Bei der speziell entwickelten Korkschicht handelt es sich (wie auch beim Ton als Ausgangsmaterial der Fliese) um ein sortenreines, gesundheitlich unbedenkliches Material, das theoretisch sogar für den Lebensmittelkontakt geeignet ist. Dank des Trockenverlegesystems lassen sich diese Fliesen schneller und einfacher als herkömmliche Fliesen verlegen. Ein weiterer wesentlicher Vorteil dieses Systems liegt darin, dass sich die Fliesen am Ende ihrer Nutzungsdauer verlustfrei mit einem Saugheber wieder entfernen und nach Abnehmen der Korkschicht sortenrein entsorgen oder wiederverwenden lassen. Sind die aus nur zwei Komponenten bestehenden Produkte im Rahmen einer Gebäudeplanung qualitativ und quantitativ erfasst und mit einer entsprechenden BIM-Datenbank verknüpft, kann problemlos auch deren Beitrag zum CO2 -Fußabdruck des Bauwerks ermittelt werden. Damit sind auch bei diesen Keramikfliesen, die bereits eine Cradle-to-Cradle-Zertifizierung haben, beste Voraussetzungen zur Umsetzung einer konsequenten Kreislaufwirtschaft geschaffen.
Keramik – vielfältig, ganzheitlich, wandelbar
Keramik ist nicht nur natürlich, langlebig, gesundheitsfördernd und innovativ, sondern auch unglaublich vielfältig. Fliesen sind als Boden- oder Wandbeläge in herkömmlichen Räumen ebenso geeignet wie in sämtlichen Arten von Nassräumen und Schwimmbädern, und das in vielen unterschiedlichen Fliesengrößen, Glasurfarben und Oberflächen. Darüber hinaus kann Keramik beispielsweise als maßgefertigtes Formteil oder in Röhren- oder Winkelform in den verschiedensten Farben und Oberflächenstrukturen auch in Fassaden zum Einsatz kommen. Die vielen internationalen Projekte, die mit Keramikfliesen entstehen machen deutlich, dass sie zwar historischen Ursprung besitzen, aber immer noch einen festen Platz in der modernen Architektur haben und Planern flexible Anpassungsmöglichkeiten und große gestalterische Spielräume eröffnen. Diese Spielräume erleichtern die Einbettung von Gebäuden ins städtebauliche Umfeld, ermöglichen Übergänge zwischen innen und außen und unterstützen die Berücksichtigung der Nutzerbedürfnisse. Das Ergebnis: Ganzheitliche Architekturkonzepte, die schon allein deshalb nachhaltig sind, weil sie mit den Menschen im Mittelpunkt für eine dauerhafte optimale Nutzung der Gebäude sorgen.